Der Internist und Vorstand der III. Medizinischen Universitätsklinik Salzburg, Prim. Univ.-Prof. Dr. Richard Greil, über die CAR-T-Zell-Therapie und was sie so revolutionär macht.
Univ.-Prof. Dr. Richard Greil
Onkologe; Vorstand der III. Medizinischen Universitätsklinik Salzburg © Foto: Hofherr
Was muss ich mir unter der CAR-T-Zell-Therapie vorstellen?
Die
Abkürzung „CAR“ steht für den Begriff „Chimerer Antigen Rezeptor“. Die
CAR-T-Zell-Therapie ist eine neue Form einer Immuntherapie bei besonders
schweren Fällen von Leukämie und Rückfällen hoch bösartiger Formen von
Lymphknotenkrebs. Grundsätzlich müssen Abwehrzellen, damit sie einen
Tumor erkennen können, eine antigene Erkennungseigenschaft des Tumors an
der Oberfläche präsentiert bekommen. Diese Eigenschaft darf nur die
Tumorzellen betreffen. Diese Erkennungsstruktur – dieses Antigen – muss
den T-Zellen hochspezifisch als Erkennungssignal vermittelt werden. Dazu
gibt es hochspezialisierte Strukturen, die man T-Zellen-Rezeptor nennt.
Über diese Rezeptoren wird dann ein entsprechendes Signal durch die
Zellmembran ins Zellinnere übertragen und löst dort eine spezifische
Zerstörungsreaktion gegenüber dem Tumor aus. Diese Reaktion ist
hochgradig geschützt, weil natürlich jede Reaktion des Körpers gegen
körpereigene Strukturen gefährlich wäre.
Und das macht diese Therapie so besonders?
Dieser T-Zellen-Rezeptor ist eine hochspezialisierte Struktur, die verschiedene Signale als Bestätigung braucht, dass das angebotene Antigen auch wirklich von den Abwehrzellen erkannt werden soll und eine Reaktion auslöst. Nun ist es so, dass bei Tumorerkrankungen dieser T-Zell-Rezeptor, der die minimale Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt eine Struktur eines Tumors erkannt und zerstört werden kann, niederreguliert ist. Da Krebs- bzw. Leukämie-spezifische Erkennungsstrukturen fehlen, erfolgt keine Präsentation dieser Erkennungsmerkmale bzw. das Signal des T-Zellen-Rezeptors an das Zellinnere ist unterbrochen.
Und das wird während der Therapie geändert?
Jetzt macht man folgendes: Man nimmt die Abwehrzellen des Patienten aus dem peripheren Blut und separiert sie. Diese Lymphozyten werden mit einem Virus modifiziert, der wie ein Trojanisches Pferd arbeitet. In diesem Virus ist ein künstlicher T-Zellen-Rezeptor enthalten, den man in die Abwehrzellen bringen möchte. So erkennen die genetisch modifizierten Abwehrzellen in jedem Fall den Tumor und können ihn so gezielt bekämpfen. Gleichzeitig wird der T-Zell-Rezeptor auch noch so verändert, dass das Signal, das der Abwehrzelle befiehlt, den Tumor zu töten, permanent eingeschalten ist. Die Tumorzellen sind nicht mehr in der Lage, diesen Abwehrmechanismus zu stoppen.
Kann man diese Therapie revolutionär nennen?
Ja, schon. Sie wird immer noch massiv weiter entwickelt, in den USA genauso wie in Europa und in China. Aufgrund der bereits vorhandenen Technologie gibt es eine Vielzahl an Veränderungsmöglichkeiten, wie man diesen T-Zellen-Rezeptor immer spezifischer gegen immer mehr Tumorarten einsetzen kann. Auch die Nebenwirkungen werden dadurch geringer werden.
Welche Nebenwirkungen sind momentan zu erwarten?
Die CAR-T-Zell-Therapie ist eine hochwirksame Immuntherapie, die zu einer immensen Aktivierung des gesamten Immunsystems des Patienten führt. Daher können hohes Fieber, Kreislaufprobleme und neurologische Beschwerden wie Benommenheit, Sprech- und Schreibbeschwerden und sogar epileptische Anfälle auftreten. Diese Nebenwirkungen sind aber vorübergehende Ereignisse, die wieder verschwinden.
Für welche Patienten ist diese Therapie geeignet?
Zum
derzeitigen Zeitpunkt findet diese Therapie außerhalb von klinischen
Studien bei Patienten mit hochaggressivem Lymphknotenkrebs statt, die
einen Rückfall der Erkrankung haben und entweder nicht einer
Hochdosis-Chemotherapie mit Stammzellentransplantation unterzogen werden
können oder die nach einer Stammzellentransplantation einen Rückfall
der Erkrankung haben. Diese Patienten haben typischerweise eine
Einjahres-Überlebensrate von 5 bis 7 Prozent. Mit einer
CAR-T-Zell-Therapie liegt die Überlebensrate bei bis zu 50 Prozent.
Momentan sieht es so aus, als ob ein Teil der Patienten damit sogar
langfristig geheilt werden könnte. Und auch bei Kindern und Jugendlichen
mit Akut-Lymphatischer Leukämie im Rezidiv sind überzeugende Ergebnisse
zu erzielen.