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Myopie – Kurzsichtigkeit

Photo: nrd via Unsplash

Prim. Univ. Prof. Dr. Herbert A. Reitsamer

Vorstand Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie Salzburg Wissenschaftlicher Sekretär der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft
 

Myopie (gr. myops – blinzeln) bezeichnet eine Erkrankung des Auges, bei der Bildinformation aus der Ferne nicht mehr scharf auf die Netzhaut des Auges abgebildet wird. Die Optik des Auges ist durch ein Missverhältnis von Brechkraft zur Länge des Auges gestört. Das bedeutet, dass das myope Auge relativ zu lange ist. Betroffene sehen in die Ferne schlecht und in die Nähe je nach Ausmaß der Kurzsichtigkeit gut.

Kurzsichtigkeit in geringerem Ausmaß wurde lange nicht als Krankheit, sondern als Abweichung von der Norm angesehen. Heute weiß man, dass bereits geringe Kurzsichtigkeit das Risiko für bestimmte Augenerkrankungen (Netzhautablösung, Makulaerkrankungen, Glaukom etc.) in späteren Lebensjahren erhöht und deshalb, wenn möglich, verhindert werden sollte.

Rasche Zunahme der Myopie in Industriestaaten

Kurzsichtigkeit ist hauptsächlich eine Erkrankung der industrialisierten Welt. Die höchste Prävalenz (= Prozentsatz der Erkrankten in der Bevölkerung) findet man heute in hoch entwickelten asiatischen Ländern, dort sind 80-90% der Jugendlichen eines Jahrgangs myop bei Abschluss der sekundären Schulstufe. 

Für Westeuropa (und damit Österreich) liegen die Zahlen – noch – niedriger, man kann von 20-40% Kurzsichtigen bei Schulabschluss ausgehen. Alarmierend ist jedoch die prognostizierte Zunahme der Kurzsichtigkeitsrate in den nächsten 30 Jahren: Studien gehen hier von einer Verdopplung auf 60% Kurzsichtige pro Jahrgang aus. Mit diesem Anstieg wäre mittel- bis langfristig eine massive Zunahme an Augenerkrankungen mit Bezug zur Kurzsichtigkeit zu rechnen, die mit hohen persönlichen Einschränkungen der Lebensqualität und entsprechenden volkswirtschaftlichen Einbußen verbunden sind. 

Wodurch wird Kurzsichtigkeit verursacht?

Über die tatsächlichen Gründe für die starke Zunahme der Myopie und die Mechanismen der Myopisierung wird in der wissenschaftlichen Literatur nach wie vor diskutiert. Sehr gut erforscht sind jedoch die Umweltfaktoren, die einen starken Zusammenhang mit der Zunahme der Kurzsichtigkeit zeigen. Der stärkste bekannte Risikofaktor für die Entwicklung von Kurzsichtigkeit ist ein hoher Bildungsgrad – dieser Zusammenhang konnte in allen bisher durchgeführten Studien in allen Kontinenten gezeigt werden. Besonders eindrücklich ist die Entwicklung in Regionen, bei denen in den letzten Jahrzehnten ein Bildungssystem aufgebaut wurde. Ausgehend von einer vermutlich genetisch bedingten Myopieprävalenz von ca. 5% holen diese Regionen sehr rasch auf und erreichen mittlerweile Raten die der westlichen Welt entsprechen.

Ein sich veränderndes Bildungssystem ist meist mit einer Reihe von gesellschaftlichen Änderungen assoziiert. Faktoren wie Einkommen, Wohnsituation, Umweltverschmutzung, Nahrungsgewohnheiten oder Besiedelungsdichte haben jedoch keinen starken Einfluss auf die Rate an der Kurzsichtigen. 

Derzeit sind 2 mit Bildung assoziierte Faktoren in Diskussion die Entwicklung von Kurzsichtigkeit zu verursachen: vermehrte Naharbeit und „zu wenig“ Zeit im Freien. 

Zeit im Freien schützt vor Kurzsichtigkeit

Neben den oben genannten Zusammenhängen haben Studien auch gezeigt, dass der Aufenthalt im Freien vor der Entwicklung von Kurzsichtigkeit schützt. Der Effekt von vermehrter Naharbeit kann statistisch mit dem protektiven Effekt gegengerechnet werden und Kinder müssen mindestens ca. 2 Stunden pro Tag draußen verbringen, um die negativen Effekte zu kompensieren. Der wesentliche Aspekt scheint hierbei die hohe Lichtintensität bei Aufenthalt im Freien zu sein.

In China wurde versucht, Teile des Unterrichts ins Freie zu verlegen und so einen protektiven Effekt zu erzielen. Dabei konnte mit einer 40-minütigen Unterrichtseinheit im Freien täglich eine Reduktion der Myopieinzidenz um ca. 25% erreicht werden. Eine Steigerung der täglichen Zeit im Freien auf 80 Minuten bewirkte eine Reduktion um über 50%. Diese Studien belegen, dass Aufenthalt im Freien eine wirkungsvolle Maßnahme gegen die Entwicklung von Kurzsichtigkeit darstellt. 

Kurzsichtigkeitsentwicklung kann verlangsamt werden

Ist ein Kind bereits kurzsichtig, kann in einem gewissen Alter die weitere Entwicklung der Kurzsichtigkeit verlangsamt werden. Dazu muss zuerst durch den Augenarzt eine sichere Diagnose bei weitgetropftem Auge (unterdrückung der Akkomodation) durchgeführt werden. Zur Behandlung stehen dem Augenarzt verschiedene Methoden wie spezielle Kontaktlinsen oder Augentropfen (Atropin) zur Verfügung. Alle Methoden haben jedoch auch Nebenwirkungen und können vor allem eine bereits bestehende Kurzsichtigkeit nicht reduzieren. 

Zusammenfassung

Kurzsichtigkeit ist eine Erkrankung des Auges, die zu einer Störung der Optik führt und das Risiko für viele andere Augenerkrankungen erhöht. Die Optik kann leicht mittels Brille korrigiert werden, nicht jedoch das erhöhte Risiko für andere Erkrankungen.

Industriestaaten weltweit zeigen einen rasanten Anstieg der Rate an Kurzsichtigen „Patienten“ – der stärkste Risikofaktor ist eine hohe Belastung durch Naharbeit. Durch den breiten Zugang zu elektronischen Medien (Handy, Pad, Laptop, etc.) scheint sich das Risiko vom Bildungsstand immer mehr zu entkoppeln und alle Bildungsschichten zu betreffen. Schützend wirkt vor allem Zeit im Freien – sowohl für die Entstehung von Kurzsichtigkeit als auch für das Voranschreiten der Erkrankung. Bei bestehender Kurzsichtigkeit kann die Entwicklung durch Medikamente (Atropin Augentropfen) oder speziellen Kontaktlinsen teilweise verlangsamt werden.

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