Gleitschirmfliegen, Klettern, Bergwandern – er ist das Paradebeispiel eines aktiven Diabetikers. Im Interview erklärt Walter E., warum er den Fokus auf die Kraft des Positiven legt.
Welchen Stellenwert hat Diabetes in Ihrem Leben?
Diabetes begleitet mich täglich und hat deswegen natürlich einen großen Stellenwert. Davon lasse ich mich aber nicht negativ beeinflussen. Ich lebe gut, sogar sehr gut damit.
Menschen mit Diabetes müssen ja täglich ihre Erkrankung managen. Wie tun Sie das?
Ich sehe Diabetes für mich nicht als reine Erkrankung an, sondern einfach als eine Benachteiligung der Natur. Klarerweise ist Diabetes medizinisch gesehen eine Erkrankung, aber ich versuche, normal zu leben, einen vernünftigen Lebensablauf zu haben und meinen Körper über Sport und Bewegung fit zu halten. Das Gleiche gilt für die Ernährung – ich ernähre mich vernünftig und kohlenhydratgerecht. Ich halte allerdings keine Diät, sondern esse das, was gut ist, mir schmeckt, und reagiere darauf aktiv mit Insulin.
Wenn man heute die Diagnose Diabetes Typ 1 erhält, sollte man sich nicht ständig nur sagen, dass man krank ist.
Wie hat sich Ihr Umgang mit Diabetes über die Jahre entwickelt beziehungsweise verändert?
Definitiv zum Positiven! Ich bin seit 1987 Diabetiker und musste damals noch eine genaue Diät halten und zur richtigen Uhrzeit essen. Ich musste drei- bis viermal am Tag meinen Blutzucker messen. Auch die Besorgung des ganzen Diabetesmaterials war mühsam für mich. Die heutigen Therapiemöglichkeiten gab es damals einfach noch nicht. Heute kontrolliere ich meine Werte mit einer sensorbasierten Glucosemessung und habe eine Insulinpumpe. Für mich ist das eine wesentliche Verbesserung, weil ich alles wunderbar steuern und daher normal leben kann. Ich kenne meine Werte ständig und kann relativ rasch und unkompliziert darauf reagieren, auch wenn ich einmal über die Stränge schlage und ein paar Stücke Kuchen esse. Früher hat das nicht so gut funktioniert. Wenn man aktiv lebt, hat man mit Diabetes kaum Einschränkungen.
Inwiefern hat sich Ihr Leben durch die kontinuierliche Blutzuckermessung verbessert?
Jede Kapillarblutentnahme über die Fingerkuppen ist eben auch eine Verletzung. Über die Jahrzehnte hat sich das bei mir bemerkbar gemacht. Das Gefühl in den Fingerkuppen ist schlechter geworden, weil ich mich täglich mehrmals stechen musste. Dank der kontinuierlichen Blutzuckermessung über das Gerät, das ich am Körper trage, muss ich mich nicht täglich verletzen und kann meine Werte automatisch über das Smartphone überprüfen. Das macht das Leben viel einfacher! Heute kann ich einfach mehrere Stunden am Berg wandern. Das wäre früher nicht oder nur schwer machbar gewesen.
Welchen Sport betreiben Sie und welche Rolle spielt hierbei Diabetes?
Durch die neuen Technologien hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Ich habe immer Sport getrieben, aber es war eben schwieriger zu planen. Dass ich alles einen Tag vorher planen muss, fällt nun glücklicherweise weg. Ich mache jeglichen Sport, der mir Spaß macht, ob Gleitschirmfliegen, Klettern, Skifahren oder Bergwandern. Ich bin sehr aktiv – als Hobby nur Tauben zu füttern, wäre für mich keine Option.
Schränkt Sie Diabetes bei Ihren ganzen Aktivitäten in irgendeiner Form ein?
Ich kontrolliere einfach öfter meine Werte, wenn ich aktiv Sport treibe oder beim Gleitschirmfliegen in die Luft gehe. Natürlich hat man gewisse Abstriche, aber mit einer positiven Einstellung kann ich das kompensieren. Wichtig für mich ist, dass die Leute, mit denen ich unterwegs bin, wissen, dass ich Diabetes habe. Manchmal brauche ich kurz eine Pause und muss etwas essen, aber dann geht’s gleich weiter! Wer mit mir unterwegs ist, weiß auch immer, was im Notfall zu tun wäre. Daher ist es wichtig, Diabetes nicht zu verheimlichen oder zu verbergen, sondern offen damit umzugehen.
Welche Tipps haben Sie für andere Menschen mit Diabetes, um möglichst einen so aktiven Lebensstil wie Sie führen zu können?
Wenn man heute die Diagnose Diabetes Typ 1 erhält, sollte man sich nicht ständig nur sagen, dass man krank ist. Man sollte das Ganze so annehmen, wie es ist, und bewusst damit leben. Wenn man die ganze Zeit nur den Krankheitsgedanken im Kopf hat, kommt man in eine Negativspirale. Ich hatte diese Gedanken nie. Ich ziehe aus meinem Leben das Positive und Aktive heraus. Wenn man beginnt, sich aktiv mit Diabetes zu beschäftigen, weiß man, wie man am besten Kohlenhydrate zuführt und wann man Insulin geben muss. Hat man das System erst einmal halbwegs durchschaut, kann man ganz gut und normal leben – ich kann das Gott sei Dank zumindest von mir behaupten.