Während der Corona Pandemie konnte ein signifikanter Anstieg von Typ-1-Diabetes bei Kindern festgestellt werden. Aber wie kommt das und wie können betroffene Kinder und Jugendliche bestmöglich betreut und begleitet werden?
Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. Die Erkrankungsrate steigt jedes Jahr um 3-4%. Allein in Österreich leben etwa 1.600 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren mit Typ-1-Diabetes, einer Autoimmunerkrankung, in deren Folge die Zellen der Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produzieren. Die genaue Ursache für den Autoimmunprozess, ist nach wie vor nicht genau bekannt. Es fehlen nach wie vor wirkungsvolle Strategien, die einen Ausbruch der Erkrankung verhindern könnten. Unzureichend behandelt, kann ein Typ-1-Diabetes schwere Folge-erkrankungen nach sich ziehen.
Neuerkrankungen mit Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen in Österreich
In den letzten 30 Jahren wird bei Kindern und Jugendlichen bis 15 Jahre über das Diabetes-Inzidenz-Register in Österreich ein stetiger Anstieg der Neuerkrankungen mit Typ-1-Diabetes beobachtet. Lediglich bei den Jüngsten (0–4 Jahre) ist dieser Anstieg seit 2012 abgeflacht. Das entspricht auch Daten aus anderen europäischen Ländern. Eine aktuelle populationsbasierte Studie aus dem DPV-Register zeigt nun einen zusätzlich verstärkten Anstieg der Typ-1-Diabetes-Inzidenz in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen zwischen Jänner 2020 und Juni 2021, wobei die COVID-19-Impfung hier als Ursache auszuschließen ist, da der beobachtete Anstieg ausschließlich Kinder und Jugendliche betraf, für die zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Impfung zur Verfügung stand. Sorge bereitet den Stoffwechselexpert:Innen, dass viele Kinder erst spät zur Erstbehandlung kommen. Bereits vor der Pandemie war die Rate von rund 40 Prozent Entgleisung bei Erstdiagnose in Österreich im internationalen Vergleich hoch. Seit Pandemiebeginn ist die Rate noch weiter auf 60 Prozent angestiegen.
Behandlung von Diabetes
Die Therapie von Typ-1-Diabetes hat in den letzten Jahren eine technologische Revolution erfahren. Die Technologie in der Diabetestherapie ist durch die Anwendung und Weiterentwicklung von Glukosesensoren und Insulinpumpen vorangeschritten, was sowohl die metabolische Kontrolle als auch die Lebensqualität mit Diabetes verbessern kann. Die neueste Entwicklung sind die sogenannten Hybrid-Closed-Loop-Systeme, bei denen ein komplexer Algorithmus die Messwerte des Glukosesensors automatisiert für die Berechnung der benötigten Insulindosis heranzieht. Dadurch können insbesondere während der Nachtstunden Glukosewerte besser stabil gehalten werden.
Herausforderungen in der Diabetestherapie
Trotz und auch durch den vermehrten Einsatz von technologischen Geräten ist die Diabetestherapie in den letzten Jahren noch komplexer geworden und stellt hohe Anforderungen sowohl an die betroffenen Patient:innen als auch an die Behandlungs-teams. Das Risiko eines Therapie-Burn-outs über die lebenslange Zeit der Behandlung ist hoch, die Raten an Begleiterkrankungen wie Depression, Angststörungen oder Essstörungen sind bei jungen Menschen mit Diabetes deutlich erhöht und verschlechtern die Prognose der Erkrankung. Ein hoch spezialisiertes, multidisziplinäres Behandlungsteam aus Medizin, Pflege, Psychologie, Diabetesberatung, Diätologie und Sozialer Arbeit, das die Betroffenen bestmöglich unterstützt, ist Voraussetzung für den Therapieerfolg. „Es gibt internationale Guidelines und Empfehlungen, nur liegen wir in Österreich weit darunter, sowohl in der Versorgung an der Klinik als auch im extramuralen Bereich. In Österreich sind viele Bemühungen in die angestrebte Richtung bereits gelungen, einiges an Ressourcen für eine optimale Versorgung ist noch notwendig“, erklärt Dr.in Marianne König, klinische und Gesundheitspsychologin mit Schwerpunkt Diabetes am AKH Wien und
Vorstand des Vereins cuko. So gibt es etwa für Familien im ersten Monat nach der Typ-1-Diabetes-Neuerkrankung des Kindes Unterstützung durch mobile Kinderkrankenpflege, die allerdings in Österreich nicht einheitlich geregelt ist. Andere Angebote wie etwa Familienwochenenden und diverse Camps werden von Selbsthilfevereinen angeboten und von einigen Kassen teilfinanziert. Zusätzlich gibt es vollstationäre Reha. Was es laut der Expert:innen dringend braucht, ist eine professionelle psychosoziale Versorgung auch im extramuralen Bereich. Beratungs-stellen sowie niederschwellige und inklusive Angebote und deren Kostendeckung fehlen.
Neue Wege zur Unterstützung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Diabetes
Zielgruppenorientierte, multidisziplinäre Unterstützungsangebote, die sich an der Lebenswelt der Jugendlichen orientieren, bieten professionelle Unterstützung in Übergangsphasen auf dem Weg ins Erwachsensein. Die Begleitung der Transition in die Erwachsenenmedizin, Beratung zu Themen wie Berufswahl, Sexualität, Umgang mit Alkohol, Familiengründung und psychologische Unterstützung in Krisen sind Beispiele aus diesen lebensweltorientierten Interventionen, die in der Rehabilitation, aber auch bei speziellen Veranstaltungen wie dem fes-D-val in Hollabrunn vom 26. bis 28. August 2022 im Fokus stehen. „Multiprofessionelle Workshops in entspannter Atmosphäre, wie Show-Cooking, Medizintechnik, Yoga und Kunsttherapie, bieten den spielerischen und lustvollen Rahmen für Vernetzung und Kennenlernen anderer junger Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren, die mit Typ-1-Diabetes leben“, erklärt König, Mitbegründerin dieses Diabetes-Festivals. „Der Austausch in Peergroups ist für junge Menschen mit Diabetes eine wertvolle Unterstützung in der Akzeptanz und im Management ihrer Erkrankung“, ergänzt Benjamin Kacerek, ebenso Mitbegründer des fes-D-vals.