Univ.-Prof. Dr. Christian Hengstenberg
Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin II
Rund vier Prozent der Bevölkerung Österreichs leben mit einer Herzklappenerkrankung. Univ.-Prof. Dr. Christian Hengstenberg erklärt, warum es wichtig ist, auf Warnzeichen zu achten, und was Herzklappenerkrankungen mit Konzertbesuchen zu tun haben.
Was versteht man unter einer Herzklappenerkrankung?
Das Herz hat die Funktion, das Blut über den Kreislauf in den Körper zu pumpen. Dazu braucht es Ventile, sodass das Blut als zielgerichteter Strom in das Herz rein- und wieder rausgepumpt werden kann. Durch ein verengtes Ventil kann das Blut nicht oder nur mit großem Widerstand gepumpt werden. Dies verursacht jene Herzklappenprobleme, die wir in der kardiologischen Betreuung feststellen
Welche Auswirkungen haben Herzklappenerkrankungen?
Die Herzklappe kann entweder verkalkt oder undicht sein. Das kann man sich so wie bei einem Konzert vorstellen, wenn alle Türen geöffnet werden und die Menschen gleichzeitig rausgehen wollen. Sind diese Türen jedoch nicht ganz oder nur teilweise geöffnet, bildet sich ein Rückstau und es dauert länger, bis alle Menschen hinausgehen können. Wenn also im Herz das Blut nicht durch die Klappe fließen kann, staut es zurück in die Lunge und verursacht dadurch Luftnot, Engegefühl in der Brust sowie teilweise auch Ohnmachtsanfälle. Diese Symptome entstehen ebenso, wenn das Ventil undicht ist.
Sind das Warnzeichen, die jede und jeder für sich selbst erkennen kann?
Genau! Ich finde es schlimm, wenn man diese Zeichen als „normalen“ Alterungsprozess ansieht. Wir wissen aus Untersuchungen, dass von Ohnmachtsanfällen – hervorgerufen durch Herzklappenerkrankungen – eine hohe Gefährdung und eine hohe Sterblichkeitsrate ausgehen. Im Vorfeld sind Herzklappenerkrankungen recht einfach zu erkennen. Wenn man regelmäßig zum Arzt geht, dieser mit dem Stethoskop das Herz abhört und spezifische Herzgeräusche feststellt, können Patienten an Kardiologen überwiesen werden. Diese können das Herz genauer untersuchen und den Schweregrad von Erkrankungen feststellen. Daran orientiert sich dann auch die Behandlung.
Wie können Herzklappenerkrankungen behandelt werden?
Es gibt drei Möglichkeiten: erstens, Medikamente, die die Symptome verbessern; zweitens, eine Operation; und drittens, die sogenannte TAVI, also die transkutane Aortenklappenimplantation, bei der über die Leiste eine neue Herzklappe eingesetzt wird.
Wie bewerten Sie die aktuelle Situation der Früherkennung von Herzklappenerkrankungen in Österreich?
Ich sehe großen Verbesserungsbedarf. Wir haben Umfragen durchgeführt und gesehen, dass der Bekanntheitsgrad von Herzklappenerkrankungen sehr gering ist. Daher versuchen wir, sowohl Ärzte als auch Patienten für das Thema zu sensibilisieren. Ich persönlich schlage vor, ab einem Alter von 50 Jahren regelmäßige Herzchecks durchführen zu lassen – und nicht erst mit 80 Jahren, denn zu diesem Zeitpunkt kann nicht mehr alles sinnvoll beeinflusst werden. Es ist wichtig, die eigene Gesundheit präventiv im Griff zu haben.