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Kindergesundheit

Attraktivität für Kassenstellen erhöhen

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Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, stellt im Interview Lösungsvorschläge zur Verbesserung der pädiatrischen Mangelversorgung vor.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl

Facharzt für Kinder­ & Jugendheilkunde am LKH Hoch­steiermark Leoben Abteilung für Kinder & Jugendliche, Leiter des Referates für Aus­ & Weiterbildung ÖGKJ

Worin sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen im Bereich der kinderärztlichen Versorgung?
Wir erleben in Österreich seit mehreren Jahren einen Mangel an kinderärztlichen Kassenstellen. Viele Positionen sind derzeit nicht besetzt. Das ist auf Dauer nicht gut für die Versorgung und wir müssen dem entgegenwirken. Viele Kassenärztinnen und -ärzte haben praktisch einen Aufnahmestopp. Aber jede Familie soll auch einen Platz bei Kassenärzt:innen finden können und nicht auf Wahlärztinnen und -ärzte ausweichen müssen. Denn wenn man keine Kassenstelle findet und nicht über die finanziellen Mittel für Wahlärztinnen und -ärzte verfügt, dann ist das soziale Diskriminierung.

Wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken?
Als Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde haben wir ein 10-Punkte-Programm entwickelt, das zur Verbesserung der Versorgungslage beitragen soll. Honorarerhöhungen allein können das Problem nicht lösen. Es braucht unter anderem eine Attraktivitätssteigerung durch die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit von Kinderärzt:innen mit Kassenstellen.

Welche gezielten Maßnahmen schlagen Sie daher vor?
Zum Beispiel die öffentlich geförderte Lehr- praxis für pädiatrische Ordinationen. Junge Kolleg:innen können so bereits während ihrer Ausbildung in einer Praxis mitarbeiten, um dort für sechs bis zwölf Monate die Tätigkeit kennenzulernen und sich so in weiterer Folge auch für diese Stellen zu interessieren. In der Allgemeinmedizin gibt es dieses Modell bereits. Einen weiteren Punkt stellen die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen dar, die einen sehr wesentlichen Bestandteil des pädiatrischen Alltags ausmachen. Hier bestehen zwei Probleme: Seit 2011 gibt es keine Kommission mehr, wobei auch die Inhalte nicht mehr adaptiert wurden. Außerdem wurden die Tarife für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen seit 1994 nicht mehr angepasst. Hier braucht es dringend Nachbesserungen.

Wie sieht es mit Lösungsansätzen zu neuen Arbeitsmodellen aus?
Das ist ein Punkt, an dem die Verantwortlichen und die Österreichische Gesundheitskasse bereits zum Teil arbeiten. So gibt es bereits neue Modelle, wie Gruppenpraxen und Timesharing. Hier hat sich bereits einiges getan. Was es allerdings noch immer nicht gibt, sind pädiatrische Primärver- sorgungseinheiten, also Zentren, in denen mehrere Ärztinnen und Ärzte und Thera- peut:innen zusammenarbeiten. Bislang sind für die Primärversorgungseinheiten nur Allgemeinmediziner:innen als Leitende vorgesehen. Gerade in Ballungszentren wie Wien braucht es jedoch auch pädiatrische Primärversorgungseinheiten, damit auch hier eine multiprofessionelle Versorgung für Kinder ermöglicht wird.

Können Allgemeinmediziner:innen die pädiatrische Versorgung übernehmen?
Die pädiatrische Ausbildung in der Allgemeinmedizin liegt bei drei Monaten, jene von pädiatrischen Fachärzt:innen bei 63 Monaten. Gerade am Land übernehmen Allgemeinmediziner:innen zwar wichtige Aufgaben in der pädiatrischen Versorgung – aber aufgrund der kürzeren Ausbildungszeiten liegt die fachliche Kompetenz natürlich bei den Kinderärzt:innen.

Welche Änderungen schlagen Sie zusätzlich noch vor?
Junge Ärztinnen und Ärzte wollen heute nicht mehr in der Peripherie alleinverantwortliche Unternehmer:innen für ihre Ordinationen sein. Statt des Einzelkämpfer:innentums sind etwa Modelle als Angestellte:r über Spitäler attraktiver. Kassenärztinnen und -ärzte verbringen viel Zeit mit der Abrechnung der einzelnen Leistungen. Diese Administration nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Über ein eben genanntes Anstellungsverhältnis können Ärztinnen und Ärzte von der Administration entlastet werden und sich auf ihre ärztliche Tätigkeit konzentrieren.

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