Als Präsident des Österreichischen Herzverbands weiß Univ.-Prof. DDDr. Wolfgang Mastnak genau um die Situation von Menschen mit Herzinsuffizienz. Im Interview spricht er über die Wechselbeziehung zwischen Herz und Psyche.
Univ.-Prof. DDDr. Wolfgang Mastnak
Präsident des Österreichischen Herzverbands
Wie verändert sich das Leben von Menschen mit Herzinsuffizienz?
Das hängt stark von der Persönlichkeit und der Resilienz der Patient:innen ab. Die Diagnose einer Herzinsuffizienz ist etwas Alarmierendes und hat massive Auswirkungen auf das Selbstbild. Menschen mit Herzinsuffizienz spüren über ihre Symptome, dass der Energiehaushalt einfach sinkt. Die Diagnose kann außerdem mit sozialer Scheu einhergehen – etwa, weil die Betroffenen nicht mehr die gewohnte Leistung erbringen können oder sich vielleicht als nicht mehr attraktiv für Freundinnen und Freunde wahrnehmen. Es gibt auch Patient:innen, die ihren Lebensfokus nach einer Diagnose stark verändern.
Welchen Einfluss hat Herzinsuffizienz auf die psychische Gesundheit von Patient:innen?
Wir sehen Patient:innen, die plötzlich das Gefühl haben, keine Kontrolle mehr über den eigenen Körper zu haben. Sie nehmen die Erkrankung als etwas wahr, das sie dominiert und sie die Lebensregulationsmöglichkeiten verlieren lässt. Das geht in die Tiefe. Aus der evidenzbasierten Psychokardiologie wissen wir, dass sich psychische Probleme gleichzeitig massiv auf die Herzgesundheit auswirken.
Welchen Stellenwert haben in diesem Zusammenhang entsprechende therapeutische Maßnahmen?
Auch Patient:innen mit Herzinsuffizienz haben oftmals eine Hemmschwelle, psychologische oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Als Herzverband empfehlen wir unseren Mitgliedern trotzdem immer, unbekannte psychische Belastungen nicht runterzuschlucken, sondern darüber zu sprechen. Denn Herz und Psyche interagieren miteinander! Es ist wichtig, Herzinsuffizienz systemisch und interdisziplinär zu betrachten. In Österreich gibt es viele Herz-Rehabilitationszentren. Psychokardiologie und Neuropsychokardiologie spielen hier eine wichtige Rolle.
Das bedeutet, dass das Herz und die Psyche stark zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen?
Ja, und das Herz hängt auch mit anderen körperlichen Funktionen zusammen. Das betrifft etwa die Verdauung oder Verspannungen. Auch ein erhöhtes Stresslevel wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus. Für Menschen mit Herzinsuffizienz ist das ungünstig, weil sie ohnehin bereits kardiovaskuläre Schwierigkeiten haben. Sie sehen, das ist alles sehr systemisch!
Was möchten Sie Betroffenen gerne mit auf den Weg geben?
Ich möchte Patient:innen gerne mitgeben, dass sie die Diagnose nicht als hundertprozentige Katastrophe sehen sollten, die ihr ganzes Leben dominiert. Man kann ein Leben mit Herzinsuffizienz auch neu ausrichten! Wir sehen immer wieder Patient:innen – und das finde ich besonders berührend –, die sagen, dass sie erst durch die Diagnose Herzinsuffizienz das gefunden haben, was für ihr Leben wirklich wichtig ist.
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