Lisa Schütte (29) hat Diabetes Typ 1. Sie verzichtete über Jahre auf Insulin und riskierte mit dem Insulin-Purging ihr Leben – nur, um schlank zu sein. Hier erzählt Lisa, wie sie ihr Leben mit Diabetes Typ 1 heute im Griff hat.
Lisa Schütte
Bloggerin auf lisabetes.de © Lisa Schütte
Lisa, wann bekamst du die Diagnose Diabetes Typ 1?
Mit 10.
Was bedeutete es damals für dich, Diabetikerin zu sein?
Diabetes war für mich keine Krankheit. Er war alltäglich: Mein elf Jahre älterer Bruder war damals schon lange Diabetiker. Er hatte seine Ausbildung abgeschlossen, studierte – alles ganz normal. Gestört hat mich anfangs nur der Essensplan, der mich oft zwang, zu essen, obwohl ich satt war.
Warum hast du auf dein Insulin verzichtet?
Mit der Hormonumstellung in der Pubertät schwankte mein Blutzuckerspiegel sehr, er ließ sich schwer einstellen. Ich habe mehr gegessen, um der Unterzuckerung zuvorzukommen, vor allem nachts. In einem Jahr legte ich so 20 Kilo zu: Ich war 14 und statt wie gewohnt untergewichtig plötzlich übergewichtig. Ich machte den Diabetes für meinen Körper, den ich mittlerweile hasste, verantwortlich – und ignorierte ihn, indem ich das Insulin wegließ.
Fiel das nicht auf?
Meine Mutter hatte meinen Zuckerspiegel immer im Auge und ein sehr feines Näschen für den süßlichen Geruch von Aceton, den Diabetiker ausatmen, wenn es ihnen an Insulin mangelt. Ich lebte eine Lüge und habe erst nachdem ich ausgezogen war bewusst weniger Insulin gespritzt, um gezielt abzunehmen.
Hast du abgenommen?
Ich konnte sogar essen, was ich wollte und so viel ich wollte – ohne, dass ich zunahm!
Aber du hast dein Leben riskiert!
Die langfristigen Risiken kannte ich seit meiner ersten Diabetes-Beratung: Beinamputation, Blindheit, Tod. Ich habe sie verdrängt wie plötzlich brüchige Haare und Nägel, Neurodermitis, Kurzatmigkeit, mangelnde Fitness. Erst wenn ich kotzte, habe ich gespritzt. Was zählte: Ich war schlank!
Wie bist du von der Diabulimie losgekommen?
Ich wachte mit Mitte 20 auf der Intensivstation auf – nach einer Ketoazidose (Übersäuerung des Blutes), an der ich hätte sterben können. Meine weinenden Eltern am Krankenbett machten mir die verdrängten Risiken der Diabulimie mehr als bewusst.
Heute spritze ich mein Insulin regelmäßig. Und hadere wieder mit meinem Gewicht. Jeden Tag. Doch ich hoffe, dass ich dank Familie, Psychotherapie, Schreibtherapie (Lisa bloggt auf Lisabetes.de ihre Diabetes-Geschichte) und dank meines Netzwerks zu gleichgesinnten Betroffenen stark bleibe und dem Drang, angesichts einer Pizza mein Insulin einfach mal wegzulassen, weiterhin widerstehe.
Lisa Schütte bloggt über ihren Diabetes-Alltag und den Weg aus der Diabulimie: www.lisabetes.de