Dr. Susanne Pusarnig ist Allgemeinmedizinerin und arbeitet seit über 30 Jahren mit DiabetikerInnen. Gemeinsam mit Kurt Welz von der Selbsthilfegruppe Aktive Diabetiker Austria haben wir sie zum Interview gebeten.
Dr. Susanne Pusarnig
Allgemeinmedizinerin und Selbsthilfegruppe Aktive Diabetiker Austria
Kurt Welz
Betroffener, Selbsthilfegruppe Aktive Diabetiker Austria
Frau Dr. Pusarnig, Sie haben eine Online-Plattform zum Thema Typ-2-Diabetes gegründet. Was hat Sie dazu bewogen?
Viele
meiner PatientInnen sind erst Monate bis Jahre nach der Diagnose und
nach einer langen Leidensgeschichte zu mir gekommen. In den Gesprächen
habe ich dann oft Sätze wie: „Das hat mir noch keiner so erklärt.“ oder:
„Ich kenne mich nicht aus, die Diagnose macht mir Angst.“ gehört. Viele
Betroffene werden mit der Diagnose überrascht, weil sie eigentlich
wegen anderer Beschwerden beim Hausarzt oder im Spital waren. Oft fehlt
den ÄrztInnen oder dem Krankenhauspersonal die Zeit, sich ausreichend
den PatientInnen zu widmen und so bleiben diese nach der Diagnose erst
einmal im Ungewissen. Sie wissen nicht, wie sie zu vernünftigen
Informationen kommen und wie sie mit der Krankheit umgehen sollen. Mit
meiner Plattform möchte ich eine virtuelle Anlaufstelle bieten, auf der
man sich informieren kann. Ich möchte Bewusstsein schaffen und
Informationen anbieten, ohne Angst zu machen.
Herr Welz, wie ist es Ihnen mit der Diagnose Diabetes ergangen?
Ich bin vor 20 Jahren diagnostiziert worden und hatte das Glück, zwei Tage nach der Diagnose auf die Selbsthilfegruppe zu stoßen. Generell hat mir die Selbsthilfegruppe sehr geholfen, von ganz allgemeinen Informationen bis hin zur Beschaffung der notwendigen Messgeräte. Dank der Selbsthilfegruppe wusste ich rasch, wo ich ansetzen konnte. Das hat mir einen langen Leidensweg in Spitälern oder bei ÄrztInnen erspart. Deshalb engagiere ich mich seitdem aktiv in der Selbsthilfegruppe, weil ich weiß, wie sehr sie einem gerade in der Anfangszeit nach der Diagnose helfen kann.
Was können Sie jemandem auf den Weg mitgeben, der/die gerade mit der Diagnose Diabetes konfrontiert wurde, Frau Dr. Pusarnig?
Meine erste Botschaft ist: Sie sind nicht allein! Es gibt viele andere Betroffene, ungefähr jede/r Zehnte in unserer Gesellschaft hat irgendwann einmal mit dieser Diagnose zu kämpfen! Zweitens: Sie sind nicht schuld an der Krankheit! Und drittens: Vergleichen Sie sich nicht mit den Horrorbotschaften, die Sie vielleicht mal aufgeschnappt haben. Und ganz wichtig: Sie sind auch mit der Diagnose Diabetes noch der gleiche Mensch wie gestern, jetzt wissen wir Bescheid und können etwas gegen die Krankheit tun!
Das Thema Ernährung spielt bei Diabetes natürlich eine große Rolle. Welche Empfehlungen haben Sie für PatientInnen, Frau Dr. Pusarnig?
Gerade für beginnenden Typ-2-Diabetes gibt es nicht die Diät-Empfehlung. Alle Diätvarianten haben ihre Vor- und Nachteile. Wir können selbst auf wissenschaftlicher Basis nicht sagen, dass diese oder jene Diät für alle Betroffenen passt. Klar ist, dass schnelle und starke Zuckerbelastung auf jeden Fall schlecht ist. Die Ausgestaltung der Ernährung kann man aber eigentlich nur im persönlichen Gespräch zwischen Arzt/Ärztin und PatientIn herausfinden. Man muss sich den Lebensrhythmus der betroffenen Person anschauen und damit arbeiten. Essen hat viel mit tiefer, oraler Befriedigung zu tun und unsere Essgewohnheiten werden in den ersten 2-3 Lebensjahren geprägt. Das ändert man nicht einfach so von heute auf morgen. Ich denke, es macht Sinn, die Frage von „Was darf ich überhaupt noch essen?“ auf „Was sind die paar Dinge, auf die ich verzichten sollte?“ umzudrehen. Als MedizinerIn sollte man versuchen, die PatientInnen ihre Ideen zur Ernährung selber entwickeln zu lassen. Das setzt bei den PatientInnen aber ein Wissen um den Zuckerstoffwechsel voraus.
Verband Österreichischer DiabetesberaterInnen
Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt, wir sehen unsere Verantwortung in der medizinisch-technischen Führung und der psychosozialen Betreuung der Menschen mit Diabetes.