Weißt du noch, als Melanie und ich damals öfters bei dir übernachtet haben? Wir sind frühmorgens immer auf Zehenspitzen die Stiegen hinuntergeschlichen, aber du hast uns schon mit einem „Guten Morgen, ihr zwei“ begrüßt, noch bevor du dich überhaupt zu uns umgedreht hast. Zwei Minuten später saßen wir auch schon mit einem Marmeladenbrot am Frühstückstisch. Und Oma, bis heute streicht niemand bessere Brote als du, denn nur bei dir gab es sie in kleine Streifen geschnitten serviert.
Leider war es in den letzten Jahren aber ziemlich still um dich geworden, du hast dich sehr zurückgezogen. Irgendwann hast du uns einfach nicht mehr richtig gehört. Du hast dich unwohl gefühlt, ständig nachzufragen, wenn du Gesprächen nicht mehr richtig folgen konntest. Deshalb bist du auch nicht mehr so oft unter Leute gegangen. Dabei warst du doch immer schon ein geselliger Mensch.
Oma, ich bin so froh, dass du vor drei Monaten den Mut gefunden hast, dir ein Hörgerät zu holen. Seitdem bist du wieder ein fixer Bestandteil in unserem Leben und kannst auch aktiv am Aufwachsen meiner Kinder, deiner Urenkel, teilhaben. Sie freuen sich schon sehr darauf, mit uns nächste Woche in den Zoo zu gehen und danach bei dir übernachten zu dürfen. Und ich freue mich, wenn sie mir im Anschluss daran erzählen, dass sie dich in der Früh nicht überraschen konnten, weil du sie schon die Stiegen hinunterlaufen gehört hast. Du wirst ihnen Marmeladenbrote in geschnittenen Streifen zum Frühstück servieren – und Oma, die werden tausend Mal besser schmecken als zu Hause.
Danke Oma, dass wir nun wieder sorglos Zeit miteinander verbringen können und meine Kinder dieselben schönen Erinnerungen mit dir sammeln können wie ich damals. Ich hab dich lieb und bin sehr stolz auf dich!
Deine Kerstin