Primaria Dr. Eva Maria Uher, Fachärztin für physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation mit dem Additivfach Geriatrie, Diplom in Schmerzmedizin und Sexualmedizin, stellt klassische und moderne Therapien gegen Schmerzen des Beckenbodens vor.
Prim. Dr. Eva Maria Uher
Fachärztin für physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation mit dem Additivfach Geriatrie © Foto: LK Mistelbach-Gänserndorf
Frau Dr. Uher, Sie sind Expertin für Beckenbodenschmerzen: Wie fühlen sich diese an und wer klagt darüber?
Der Beckenboden ist eine Muskelplatte, die Bauchraum sowie Becken abschließt. Er gibt den dort sitzenden Organen Halt und dem Menschen Haltung. Problematisch wird ein geschwächter Beckenboden, der erschlafft, absinkt oder verkrampft. Chronisch andauernde, beziehungsweise sich wiederholende Beckenbodenschmerzen sind keine Seltenheit. Sie treten bei Männern und Frauen jeder Altersgruppe auf. Männer beschreiben sie meist als ziehende, drückende Schmerzen, die sie vom Damm über den Prostatabereich bis hin in Penis, Hoden und After spüren. Zudem beklagen Männer häufigen Harndrang, Erektionsprobleme, Schmerzen beim Wasserlassen, beim Geschlechtsverkehr oder danach. Frauen empfinden Beckenbodenschmerzen als dumpf oder als Brennen, das sich über die äußeren Geschlechtsorgane bis hin zum After ausbreitet. Wie Männer klagen die betroffenen Frauen über schmerzhaften Geschlechtsverkehr.
Beckenbodenschmerzen sowie Schmerzen ausstrahlend in Geschlechtsorgane, Bauch, Hüfte, Lendenwirbelsäule und Beine bereiten massiven Leidensdruck: Betroffene reagieren auf die oft chronischen Schmerzen beim Sitzen, Fahrradfahren und auch bei sexuellen Aktivitäten mit noch mehr Muskelanspannung, was weitere schmerzhafte Verspannungen und Fehlhaltungen nach sich zieht – ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.
Gibt es neben den muskulären Ursachen für Schmerzen und Probleme im Beckenbodenbereich noch weitere?
Auch vernarbtes und infolgedessen weniger elastisches Gewebe kann Probleme machen. Narben können entstehen, zum Beispiel nach Hämorrhoidenoperationen, bei einer Neigung zu Hautrissen am After oder bei Geburten (Dammschnitt, Dammriss). Während Narben anlage- oder ereignisbedingt sind, ist eine weitere Problematik des schwächelnden Beckenbodens auch zumeist altersbedingt: die Inkontinenz. Bei jüngeren Frauen kann sie während der Schwangerschaft, nach der Geburt und im Alter, bei Männern oft nach Prostata-Operationen und im Alter auftreten.
An wen sollten sich Betroffene zur eindeutigen Diagnose wenden?
Der erste Gang führt zu FachärztInnen. UrologInnen, GynäkologInnen oder KoloproktologInnen (bei Afterschmerzen) können nach organischen Ursachen suchen. Lassen sich diese ausschließen, sollten ein/eine Fachärztin für physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation sowie darauf spezialisierte PhysiotherapeutInnen zu Rate gezogen werden. Sie kennen Zusammenhänge zwischen Beckenboden und ausstrahlenden Schmerzen bestens. Die Beckenboden-Profis ertasten Verspannungen der Beckenbodenmuskulatur, der Faszien und des Bindegewebes, finden Schmerzursachen und starten eine gezielte Behandlung. Bildgebende Diagnostik wie Computertomographie, Röntgen, Kernspintomographie oder Ultraschall sind dabei als Ausschlussdiagnoseverfahren für andere Erkrankungen durchaus sinnvoll.
Wie lassen sich Beckenbodenschmerzen behandeln?
Bei Beckenbodenschmerzen und -problemen haben sich die klassische Heilgymnastik als Beckenbodentraining, idealerweise unterstützt durch die EMG-Biofeedback-Therapie, die Beckenboden-Elektrostimulation sowie Faszien- und Triggerpunkt-Therapien bewährt. Auch komplementärmedizinische Phytotherapie (Pflanzenheilkunde), Cranio-Sacrale Therapie und Akupunktur sind oft wirksame Begleitung. Bei sehr starken Beckenbodenschmerzen kommen krampflösende und schmerzlindernde Medikamente zum Einsatz.
Vielversprechend sind neue Therapien mit AM-Radiofrequenzen (AM = amplitudenmoduliert), die die Beckenbodenmuskulatur erwärmen, stimulieren und zur Nervenregeneration beitragen sollen. Die Behandlung ist schmerzlos und wird oberflächlich, intravaginal oder intrarektal angesetzt. Sie wirkt bis tief ins Gewebe entspannend.