Die Wienerin Elfi Jirsa, Vorsitzende der Myelom- und Lymphomhilfe Österreich, über neue Therapieformen und warum es so wichtig ist, das Image der Diagnose Krebs zu wandeln.
Elfi Jirsa
Präsidentin der MLH © Foto: Stefan Liewehr
Von welcher Krankheit waren Sie betroffen?
Ich hatte ein
multiples Myelom. Wobei sich diese Krankheit nur in Ausnahmefällen ganz
besiegen lässt, also habe ich es eigentlich immer noch. Es ist eine
Erkrankung des Knochenmarks, bei der die Plasmazellen entarten und zu
große Mengen eines Abwehr-Eiweißes bilden.
Wie ist man bei Ihnen auf die Krankheit gekommen?
Ich habe mir vor Jahrzehnten Blut abnehmen lassen. Dabei kam heraus, dass etwas mit meinen Immunglobulinen nicht stimmt. So wurde eine benigne Gammopathie festgestellt. Damals, 1989, hat es nur geheißen, dass sich ein multiples Myelom entwickeln könnte. 2003 war es dann soweit und meine klassische Behandlung mit einer Chemotherapie, dem Sammeln eigener Stammzellen, einer Hochdosis-Chemotherapie und die Rückgabe der Stammzellen zum Aufbau eines neuen Knochenmarks ging los. Danach war ich krankheitsfrei. 2011 wurde ich wieder mit Chemotherapie behandelt und hatte danach wieder eine komplette Remission – es waren keine Krankheitszeichen zu diagnostizieren. Jetzt allerdings beginnen die Werte langsam wieder zu steigen.
Mit welchen Nebenwirkungen der Therapie sollten andere Betroffene rechnen?
Eine der größten Nebenwirkungen während der Erkrankung und der Therapie ist das erhöhte Risiko für Infekte aller Art. Das Immunsystem ist deutlich geschwächt, man fängt sich fast alles ein. Der zweite große Punkt sind PNP, periphere Polyneuropathien. Durch die Therapie oder auch die Erkrankung werden die Nervenenden geschädigt. Das führt zu einem Prickeln in den Fingern, den Zehen bis hinauf zu den Knien. Und zu einer gestörten Wahrnehmung von Hitze und Kälte. Auch die Feinmotorik kann dadurch eingeschränkt werden. Bei manchen Betroffenen bilden sich sogar Muskeln zurück. Als weitere Nebenwirkung sind auch Durchfälle möglich. Auf jeden Fall sollte man sofort mit dem behandelnden Arzt über die Nebenwirkungen sprechen.
Sind das multiple Myelom und Lymphome gut therapierbar?
Es ist erstaunlich, dass für eine seltene Erkrankung wie das Myelom, aber auch für Lymphome laufend neue, immer besser wirksame Therapien gefunden werden. Die Forschung ist auf dem Gebiet Hämato-Onkologie sehr gut unterwegs! Es gibt vor allem orale Therapien, für die man nicht mehr ins Krankenhaus muss. Oder nur mehr für kurze Zeit in die Tagesklinik. Auch die Diagnosemethoden werden mehr und mehr verfeinert, so dass man den Verlauf der Therapie gut verfolgen kann. Verlässliche Informationen über die Erkrankung und über die passende Therapie für den Patienten überlassen wir den Experten. Deshalb raten wir PatientInnen auch, sich am besten in einem Zentrum für Hämato-Onkologie behandeln zu lassen – oder dort zumindest eine Zweitmeinung einzuholen.
Was halten Sie von neuen Therapieansätzen?
Sehr viel! Vor allem die oralen Therapien geben dem Patienten ein neues Maß an Freiheit. Urlaube oder berufliche Tätigkeiten werden so wieder möglich. Der beste Therapieansatz nutzt aber nichts, wenn er konterkariert wird. So gibt es etwa bestimmte Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel, die eine Therapie stören oder wirkungslos machen können. Auch den Trend hin zu Scharlatanen, Wunderheilern und oftmals selbsternannten Gurus sehen wir in der Selbsthilfegruppe sehr kritisch. Selbst bei TCM oder Homöopathie sollte man im Vorfeld unbedingt mit dem behandelnden Onkologen abklären, ob es eventuell zu Kreuzreaktionen oder unerwarteten Komplikationen kommen kann.
Auf welche Art stärken Sie den Betroffenen den Rücken?
Neben unserer Homepage geben wir regelmäßig ein Magazin heraus, in dem wir anderen Betroffenen Tipps zum Umgang mit der Krankheit und zur Steigerung der Lebensqualität geben. Auch unsere Online-Kurse (https://selpers.com/myelom-lymphom-kurs/), die Experten nach unserer Idee entwickelt haben, kommen sehr gut an und helfen vielen PatientInnen, ihr Wissen über die Krankheit zu verbessern. Wichtig ist auch, früh genug mit den Ärzten über Nebenwirkungen zu sprechen.
Was würden Sie sich für Betroffene in Zukunft wünschen?
Dass die Diagnose Krebs nicht mehr tabuisiert und mit Tod und Verzweiflung belastet, sondern mit Mut, Hoffnung und Heilungschancen verbunden wird. Schön wäre es auch, wenn von Seiten der Medizin öfter der Mensch ins Zentrum der Betrachtungen gestellt werden würde.