Prof. Dr. Michael Eisenmenger
Präsident Österreichische Gesellschaft für Mann und Gesundheit
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Woher kommt dieser Unterschied?
Ist dieser Unterschied „gottgewollt“ oder biologisch erklärbar? Marc Luy ist in der Klosterstudie der Frage nachgegangen, ob Nonnen und Mönche eine andere Lebenserwartung haben als Frauen und Männer der Allgemeinbevölkerung. Gemäß dieser Studie leben Nonnen und Frauen der Allgemeinbevölkerung annähernd gleich lang, dicht gefolgt von Mönchen. Deutlich abgeschlagen sind Männer der Allgemeinbevölkerung, die im Schnitt sechs Jahre kürzer leben als die beiden Frauengruppen und bis zu viereinhalb Jahre kürzer als Mönche. Diese Differenz scheint ihre Gründe in den voneinander abweichenden Lebensstilen der beiden Männergruppen zu haben.
Bereits 2003 ging Hans-Uwe Eickenberg, Urologe in Bielefeld, Deutschland, den Fragen nach, warum Männer eine geringere Lebenserwartung haben und warum sie häufiger von Haupttodesursachen, wie Herz- und Lungenerkrankungen, Krebs, Zuckerkrankheit, Suizid, Unfälle und Mord, betroffen sind. Die Erklärung für dieses Phänomen lieferte Eickenberg mit biologischen und genetischen Faktoren sowie mit gesellschaftlichen Veränderungen wie der Industrialisierung. In seiner Arbeit kritisierte Eickenberg auch die Vernachlässigung des Mannes in der medizinischen Forschung.
Aber nicht nur Eickenberg beschäftigte sich mit der kürzeren Lebensdauer des Mannes. In der Ausgabe 41/2014 des PROFIL befasste sich Gernot Bauer in seinem Artikel „Wie die Politik die Probleme der Männer ignoriert“ mit diesem Thema. Neben der niedrigeren Lebenserwartung wirken sich laut Bauer die höhere Suizidgefahr, das größere Risiko arbeits- oder obdachlos zu werden, die höhere Inzidenz von Krebserkrankung, Herzinfarkten und Lungenerkrankungen sowie der geringere Anteil an den Hochschulen negativ auf die durchschnittliche Lebenserwartung des Mannes aus. Wenn man bedenkt, wie eng Gesundheitsverhalten mit Bildung und Ausbildung verknüpft sind – Pflichtschulabsolventen weisen eine doppelt so hohe Sterblichkeit auf als Hochschulabsolventen – müssen auch folgende Fakten und Zahlen nachdenklich stimmen: europaweit sind zwei Drittel der Schulabbrecher Burschen, und nur 40% aller Universitätsabsolventen Männer.
Was muss sich ändern?
Der 1. Deutsche Männergesundheitsbericht stellte 2010 fest, dass für die Verbesserung der gesundheitlichen Lage von Männern die Sterblichkeitsrate bei Lungenkrebs, Bluthochdruck und Gefäßerkrankungen von Herz und Gehirn gesenkt werden muss. Darüber hinaus gilt es, vor allem das Gesundheitsverhalten der Männer, z. B. in Hinblick auf Vorsorgeuntersuchungen, zu beeinflussen. Männern und Frauen soll gleichermaßen ein barrierefreier Zugang zu Gesundheitsförderung ermöglicht werden. Als Perspektiven entwarfen die Verfasser mehrere Schwerpunkte für die Weiterentwicklung der Männergesundheit: Intensivierung der Männergesundheitsforschung, Präventionsangebote, die besser auf die Bedürfnisse von Männern ausgerichtet sind, Etablierung der Männermedizin und Verringerung männerspezifischer Gesundheitsrisiken.
Was ist nun Männergesundheit?
Männergesundheit allein auf Erkrankungen der Sexualorgane, also auf Urologie und Andrologie, zu reduzieren, greift zu kurz. Peter Kölln, Arbeitsmediziner aus Bremen, schreibt in seinem Buch „Männer im Betrieb(s)Zustand! Der Praxisratgeber zur Männergesundheit“: „Männergesundheit definiert sich über spezifische körperliche Organe (Penis, Hoden, Prostata), über spezifische soziale und kulturelle Bedingungen des Aufwachsens und Lebensvollzugs von Jungen und Männern sowie über den genderbezogenen spezifischen Umgang mit Gesundheit. […] Diese Definition zeigt, dass es bei der ‚Männergesundheit‘ um mehr geht als um Urologie. Als ginge es beim Mann ausschließlich um Sexualität, Fortpflanzung und das männliche Geschlechtshormon Testosteron. Der Themenkomplex Männergesundheit weist jedoch mehrere Dimensionen auf.“
Wo sind demnach die Schwerpunkte bei der Männergesundheit zu setzen?
Männergesundheit bzw. männliches Gesundheitsverhalten schließt neben Prostata und anderen männlichen Sexualorganen auch jene Organsysteme ein, die beim Mann aufgrund genetischer und biologischer Faktoren stärker von Erkrankungen betroffen ist. Daher sind Information und Aufklärung über einen gesunden Lebensstil mit Bewegung und richtiger Ernährung, das Zulassen von Trauer und Schmerz, Akzeptanz fremder
Hilfe sowie die Erkennung von psychischen Problemen und Burn-out die vordringlichsten Aufgaben. Außerdem müssen zur Verbesserung der Prävention geeignete Angebote entwickelt werden. Die zentralen Themen sind hier Übergewicht, Risikoverhalten, Depression und die Früherkennung des Prostatakrebs. Dabei muss auch Rücksicht auf das männliche Selbstbild und das individuelle Rollenverständnis genommen werden. Jedenfalls muss die auseinanderklaffende Schere der Lebenserwartung zwischen Frau und Mann geschlossen werden.
Info
Weitere Informationen finden Sie unter www.mann-und-gesundheit.at