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Neurologie

Multiple Sklerose und Krankheitsmanagement nach Covid-19

Bild: Alexandra Kaynak

Univ.-Prof. Dr. Christian Enzinger

Medizinische Universität Graz
Universitätsklinik für Neurologie
Klinische Abteilung Allgemeine Neurologie

Der Grazer Neurologe Univ.-Prof. Dr. Christian Enzinger spricht im Interview über das Informationsbedürfnis MS-Betroffener während der Covid-19-Pandemie und über neue, digitale Ansätze im Monitoring.

Wie wirkt sich die Covid-19-Pandemie auf die Behandlung und das Monitoring von Menschen mit Multipler Sklerose aus? 

Wir haben es mit einem sehr dynamischen Prozess zu tun, der entsprechend der Wellen der Covid-19-Pandemie verläuft und wo wir mittlerweile in einem ruhigeren Fahrwasser unterwegs sind. Österreich ist auf dem Gebiet der Neurologie gut durch die Krise gekommen und aus meiner Sicht können wir bereits seit geraumer Zeit wieder eine Normalversorgung realisieren. Jedenfalls haben wir während der Pandemie unser Wissen über den Einsatz der Telemedizin vertieft. Das ist speziell für jene Betroffene ein Thema, welche für Kontrollvisiten lange Wege zurücklegen müssen oder mobilitätseingeschränkt sind.

Welchen Einfluss haben E-Health-Angebote auf die Behandlung von MS-Betroffenen? 

Das Pandemie-Jahr hat zu einem erhöhten Informationsbedarf bei MS-Betroffenen rund um die Themen einer Covid-Erkrankung oder aktuell der Impfung geführt. In dieser Situation haben sich Websites als nützliche Info-Tools bewährt. Wenn es aber um die direkte Interaktion mit MS-Betroffenen geht, setzen wir auf virtuelle Meeting-Plattformen. So kann ich zum Beispiel in eingeschränktem Maß neurologische Untersuchungen durchführen und ein Gefühl für den Funktionsstand bekommen.


Stößt die Telemedizin auf Akzeptanz?

Meiner Erfahrung nach nehmen viele MS-Betroffene die Angebote der Telemedizin gerne an. Die Digitalisierung bringt laufend neue Entwicklungen, zum Beispiel Apps zur standardisierten Abfrage von Gehfunktion, Gleichgewicht oder kognitiver Leistung. Die entsprechenden Informationen stehen medizinischen Experten auf einer Plattform zur Verfügung. Einer der nächsten Schritte wird darin bestehen, Krankheitsverläufe und Leistungskurven zu monitoren.

Inwiefern kann die Digitalisierung das Gesundheitssystem entlasten?

Die Digitalisierung führt zu einer effizienteren Nutzung der Ressourcen. So kann man zum Beispiel im Vorfeld zu einer Besprechung Laborwerte abfragen oder Aufnahmen von bildgebenden Verfahren ansehen. Auch die Therapievorbereitung kann durch digitale Telekonsultation unterstützt werden. Es ist aber auch wichtig zu vermitteln, dass MS-Betroffene keine Angst vor dem Krankenhausbesuch haben müssen. Denn wir haben unsere Zentren zu sicheren Orten gemacht. Der Verzug oder der Verzicht auf eine Therapie wiegt in jedem Fall schwerer als die Sorge, sich zu infizieren.

Wie steht es nach der Pandemie um die Therapieadhärenz?

Die Therapieadhärenz ist bei der Multiplen Sklerose ein großes Thema. Problematisch wird es dann, wenn Nebenwirkungen auftreten. Mit unserer in Österreich etablierten Lösung der MS-Zentren haben wir eine gute Struktur geschaffen, weil wir unsere Patienten regelmäßig in Intervallen zwischen drei und sechs Monaten sehen. Die Adhärenz kann umso höher gehalten werden, je partizipativer und partnerschaftlicher Therapieentscheidungen getroffen werden und je informierter Betroffene sind. Dafür braucht es Zeit. Diese Zeit ist jedenfalls gut investiert, weil Patienten viele Fragen zur Behandlung haben. 

Inwiefern bringen Therapien mit größeren Intervallen einen Vorteil?

Die sogenannten gepulsten Therapien werden in sehr großen Intervallen verabreicht – etwa alle sechs Monate oder einmal im Jahr. Sie kommen eher bei aktiven Formen der MS zum Einsatz und mit ihrer Hilfe können wir sehr profunde Effekte im Immunsystem erzielen. 

Worauf müssen MS-Betroffene im Zusammenhang mit der Covid-Impfung besonders achten?

MS-Betroffene sollen sich impfen lassen – das ist die Empfehlung sämtlicher internationaler Kommissionen. Damit werden zwei Ziele erreicht: einerseits die Herdenimmunität in der Gesellschaft und gleichzeitig der Schutz MS-Betroffener vor einer Covid-19-Infektion. Die Multiple Sclerosis International Federation hat sämtliche aktuell zugelassenen Covid-Impfstoffe für MS-Betroffene freigegeben. Bestimmte MS-Therapien benötigen aber einen Sicherheitsabstand zur Covid-Impfung, da ansonsten die Immunantwort nach der Impfung abgeschwächt sein könnte.

Was werden die „Lessons Learned“ für die Zeit nach der Covid-Pandemie sein? 

Telemedizinische Ansätze haben einen flexibleren Zugang zu Kontrollen eröffnet und wir werden eine noch stärkere Akzeptanz des Remote-Monitoring sehen. Bereits heute nutzen viele MS-Betroffene die entsprechenden Angebote, speziell im Anfangsstadium. Das hilft ihnen, selbstbestimmt gegen den Krankheitsfortschritt aktiv zu werden.

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