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Neurologie

Vergesslichkeit heißt nicht automatisch Demenz

Concept of memory loss and brain aging due to dementia and alzheimer's disease as a medical icon with fall trees shaped as a human head losing leaves with 3D illustration elements.
Concept of memory loss and brain aging due to dementia and alzheimer's disease as a medical icon with fall trees shaped as a human head losing leaves with 3D illustration elements.
iStock/wildpixel

Voraussetzung für die richtige Diagnose ist aber die Ursachenabklärung beim Arzt sobald Vergesslichkeit auftritt.  Wer gesund lebt, körperlich und geistig aktiv bleibt, kann das Erkrankungsrisiko zudem deutlich verringern, erklärt der Demenz-Experte Peter Dal-Bianco.

Univ.-Prof. Dr. med. Peter Dal-Bianco

FA. Neurologie & Psychiatrie, Medizinische Universität Wien, em. Präsident der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft © Foto: Mag. Wenzel Müller

Was versteht man unter Demenz?

„Mens“ heißt im Lateinischen Sinn, „Dementia“ von Sinnen sein. Demenz bezeichnet eine Kombination von Symptomen des zunehmenden Abbaus kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten. Die Krankheitsursachen sind aber vielfältig. Die häufigste Erscheinungsform sind Alzheimer-Veränderungen im Gehirn. Etwa zwei Drittel aller Demenz-PatientInnen sind davon betroffen. Diese zeigt sich als Nachlassen der Gedächtnisleistung sowie zeitlicher und räumlicher Desorientierung. Im späten Stadium kann es auch zu Verhaltensstörungen und Persönlichkeitsveränderungen kommen.

Welche anderen Formen der Demenz gibt es noch?

Rund ein Fünftel aller DemenzpatientInnen leiden an vaskulärer Demenz, zwischen sieben und fünfzehn Prozent an Lewy-Körperchen-Demenz. Bei der frontotemporalen Demenz steht dagegen nicht so sehr eine Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung im Vordergrund, sondern eine fortschreitende Veränderung der Persönlichkeit. Es gibt auch ein breites Spektrum interner Ursachen für Vergesslichkeit: z.B. Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse, Vitamin-Mangel, entzündliche Erkrankungen oder als Begleiterscheinung von Multipler Sklerose und Epilepsie etc.

Wann wird eine Demenz diagnostiziert?

Oft erst sehr spät. Betroffene entwickeln häufig Strategien, um die Krankheit zu verdrängen und bauen eine Fassade auf, um nicht Gefahr zu laufen ihre Vergesslichkeit auszustellen. Vergesslichkeit muss aber nicht zwangsläufig Alzheimer sein. In einigen Fällen handelt es sich um eine Schilddrüsen Überfunktion. In anderen um eine Depression, die eine Demenz vortäuscht. Beides ist gut behandelbar. Viele Menschen haben aber Angst vor der Diagnose und gehen darum nicht zum Arzt. Bei jenen die wirklich an Demenz leiden, schreitet die Krankheit dann schneller voran, als es mit Behandlung der Fall wäre.  

Wann wird Vergesslichkeit zu einem Symptom?

Ab fünfzig sollte man selber einen gewissen Fokus darauf legen und sich Zeit nehmen, um zu vergleichen: Wie war mein Gedächtnis vor zwei oder fünf Jahren und wie ist es jetzt? Wenn man Lücken entdeckt, sollte man sich Gedanken machen. Manche Beeinträchtigungen sind nur vorübergehend. Um das abzuklären, sollte man einen Facharzt aufsuchen. Wichtig ist, sich nicht mit Sätzen wie „Wir werden alle älter und vergessen schon mal was“, nach Hause schicken zu lassen. Das muss klinisch von einem Nervenfacharzt abgeklärt werden – auch mittels bildgebender Verfahren (CT, MRT). Für den Patienten sind diese völlig schmerzlos.

Gibt es eine Prävention gegen Demenz?

Im Jahr 2050 wird es weltweit rund 120 Millionen Demenz-PatientInnen geben. Wenn man die Risikofaktoren beachtet, könnte man diese Zahl um etwa ein Drittel reduzieren. Die Risikofaktoren lassen sich nach Lebensphasen gliedern: Im Kindesalter ist es vor allem geringe Bildung. Im mittleren Lebensalter Übergewicht, Bluthochdruck und Hörverlust – Menschen ziehen sich dann häufig aus dem sozialen Leben zurück. Im fortgeschrittenen Lebensalter sind es Rauchen, Depression, Bewegungsmangel, soziale Isolation und Diabetes. Diese Faktoren lösen die Erkrankung nicht aus, beschleunigen aber ihr Fortschreiten. Es geht nicht darum, eine Demenz zu verhindern, sondern ihre Symptome so lang wie möglich hinauszuzögern. Im Idealfall so lange, dass man sie gar nicht mehr erlebt.

Welche Rolle spielen die Angehörige bei der Erkrankung?

Mehr als 100.000 Menschen in Österreich pflegen ihre an Demenz erkrankten Angehörigen oder Freunde. Ich habe den Eindruck, dass ihre Leistungen nicht entsprechend gewürdigt werden. DemenzpatientInnen stellen eine massive Belastung für die Familie und das ganze soziale Umfeld dar. Bei der Pflege, die Angehörige leisten, handelt es sich um informelle, unbezahlte  Höchstleistungen. Darum ist mein Wunsch an die Politik, dass man diese HelferInnen bestmöglich finanziell unterstützt, aber auch entsprechend wertschätzt.


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