Erika Fassel, Peter Pless sowie weitere Mitstreiter:innen haben vor 20 Jahren den Verein Epilepsie Interessensgemeinschaft Österreich gegründet. Wie es dazu kam, erklären sie hier.
Herr Dr. Pless, was hat die Diagnose Epilepsie für Sie bedeutet?
Wenn man mit 40 Jahren eine solche Diagnose bekommt, ist das natürlich ein Schock. Die negative Grundstimmung rund um das Thema Epilepsie hat in mir ein Gefühl der Aussichtlosigkeit entstehen lassen, das mich auch mehrere Jahre lang begleitet hat. Erst mit der Hilfe eines Facharztes für Epileptologie bin ich zur richtigen Diagnose und an eine effektive Therapie gekommen. Mittlerweile habe ich die Krankheit so gut im Griff, dass ich ohne Einschränkungen an Beruf und sozialem Leben teilnehmen kann. Dazu gehört auch, offen mit der Epilepsie umzugehen und sie nicht mehr vor anderen zu verstecken.
Frau Fassel, welchen Bezug haben Sie zur Erkrankung?
Ein Familienmitglied ist vor über 20 Jahren an Epilepsie erkrankt. Wir haben bei der Diagnosestellung lediglich ein wenig effektives Medikament bekommen und uns komplett alleingelassen gefühlt. Dank Recherche bin ich auf eine Selbsthilfegruppe für Erwachsene gestoßen. So konnten wir spezialisierte Ärzt:innen und damit eine effektive Therapie finden. Im Rahmen der Selbsthilfegruppe lernte ich Familie Pless kennen. Uns war schnell klar, dass es Aufklärungsarbeit braucht und man ein Bewusstsein für diese Erkrankung schaffen muss. 2005 haben wir die Epilepsie Interessensgemeinschaft Österreich gegründet.
Welche Herausforderungen stellt Epilepsie an Betroffene und das soziale Umfeld?
Pless: Epilepsie ist ein Tabuthema. Viele Menschen haben das Gefühl, nicht mit ihrem Umfeld darüber sprechen zu können, und ziehensich nach der Diagnose zurück. Hier muss man es schaffen, die vorhandenen Ängste – etwa rund um einen Anfall – anzusprechen. Man fragt sich: Kann ich den Beruf weiter wie gewohnt ausüben oder muss ich mich bei manchen Aufgaben einschränken? Was denken meine Kolleg:innen über mich und meine Erkrankung? Wissen sie, wie sie mir bei/nach einem Anfall helfen können? Ein aktiver Umgang damit schafft Lösungen. Oft ist es auch gut, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Beratung des Instituts für Epilepsie steht allen Betroffenen und Angehörigen mit ihrer Expertise zur Verfügung.
Fassel: Die Therapie ist nur ein kleiner Teil. Wie man mit der Epilepsie im täglichen Leben umgeht ist die größere Herausforderung, insbesondere bei betroffenen Kindern: Wie kann ich ihnen ihre Erkrankung verständlich machen? Was brauchen sie nach einem Anfall? Und wie sensibilisiere ich ihr Umfeld dafür? Kann ich nach einem Anfall bei meinem Kind zuhause bleiben? Das sind wichtige Fragen, die in Selbsthilfegruppen und im persönlichen Austausch beantwortet werden.
Was wollen Sie Betroffenen und deren Angehörigen mitgeben?
Pless: Die Epilepsie Interessensgemeinschaft Österreich, das Institut für Epilepsie und die spezialisierten Ambulanzen und Epileptolog:innen leisten bei der Wissensvermittlung einen wichtigen Beitrag. Im persönlichen Austausch eröffnen sich neue Perspektiven und Ideen – gerade für Erkrankte, die nicht anfallsfrei sind, ist das besonders wichtig. Bei mir hätte es sonst viel länger gedauert, bis ich die passende Therapie gefunden hätte.
Fassel: Als Selbsthilfegruppen arbeiten wir eng mit Expert:innen zusammen. Wir sind auch bei neuen Therapien auf dem neusten Stand. Es lohnt sich also, nicht aufzugeben, sondern weiter aktiv zu bleiben und den Mut zu haben, zum Treffen einer Selbsthilfegruppe zu kommen. Den Betroffenen geht es danach viel besser, denn sie merken, dass sie nicht allein sind und es ihnen auch selbst hilft, anderen zu helfen.
Epilepsie: Mehr Möglichkeiten bei Therapieresistenz
Die pharmakologischen Entwicklungen der letzten Jahre haben zu einer größeren Auswahl an wirksamen und gut verträglichen Präparaten bei Epilepsie geführt. Neurologe Markus Gaugg spricht im Interview über die Behandlungsansätze.
OA Dr. Markus Gaugg
© KABEG
Facharzt für Neurologie, Abteilung für Neurologie, Klinikum Klagenfurt
Was zeichnet die Epilepsie aus? Was passiert dabei im Gehirn?
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch plötzliche auftretende Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle manifestieren sich meist in Form von Muskelzuckungen oder Muskelversteifung, Störungen des Bewusstseins wie Bewusstseinsverlust oder Verwirrtheit, eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit oder Sensibilitätsstörungen. Ursächlich dafür sind unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn.
Welche Folgen haben diese Anfälle?
Es kann zu Verletzungen in Folge von Stürzen oder durch den Anfall selbst kommen. Angst, Depression und kognitive Beeinträchtigungen sind häufig Begleiterscheinungen. Erwähnenswert sind zudem eine meist vorübergehende Fahruntauglichkeit und Aktivitäts- und berufliche Einschränkungen.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es heute?
Der Goldstandard bei Epilepsie ist die medikamentöse Therapie mit dem Ziel der Anfallsfreiheit – oder zumindest einer Form der Anfallskontrolle. Auch Kombinationstherapien sind etabliert. Wenn dies nicht ausreicht, gibt es noch epilepsiechirurgische Möglichkeiten oder elektrische Stimulationsverfahren mittels Vagus-Nerv-Stimulator bis hin zur tiefen Hirnstimulation.
Welche Entwicklungen gibt es im Bereich der Epilepsiebehandlung, insbesondere mit Blick auf die Anfallsreduktion?
Vor allem bei Therapieresistenz, also fehlender Anfallsfreiheit unter entsprechender doppelter medikamentöser Therapie gibt es positive Entwicklungen: Seit einigen Jahren steht eine breitere medikamentöse Auswahl mit guter Wirkung und Verträglichkeit zur Verfügung. Zudem sollte die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffes geklärt werden. Aus diesen Gründen ist eine intensive neurologische Betreuung bzw. die Vorstellung in einer Epilepsieambulanz wichtig. Begleitend zur pharmakologischen Therapie können Lebensstilveränderungen wie Schlafhygiene, moderate Bewegung und Vermeidung von Alkohol/Drogen, aber auch Yoga, Entspannungsverfahren und komplementärmedizinische Therapien wie Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur hilfreich sein. Bei Depressionen und Angst, die häufig mit Epilepsie vergesellschaftet sind, stellt die psychotherapeutische Begleitung einen weiteren wichtigen Pfeiler der Patient:innenbetreuung dar.
Angelini Pharma ist ein aufstrebendes Pharmaunternehmen in Privatbesitz, das zu der Holding Angelini Industries gehört. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Belastung durch neurologische Störungen zu verringern und gleichzeitig die geistige Gesundheit sowie die kognitiven Funktionen wiederherzustellen und zu schützen. Wir arbeiten jeden Tag daran, als führender europäischer Innovator, der einen Unterschied im Leben der Patienten und Patientinnen bewirken kann, zu wachsen. Seit 1919.