Expertin Dr.in med. univ. Andrea Lederer klärt im Interview über gute Bakterien zum Aufrechterhalten des gesunden Scheidenmilieus, Scheidenpilz und bakterielle Infektionen und deren Unterscheidung auf.
Dr. med. univ. Andrea Lederer
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendgynäkologin
Was versteht man unter einer gesunden Scheidenflora? Warum ist sie wichtig für die Frauengesundheit?
Unter einer gesunden Vaginalflora versteht man die mikrobielle Besiedelung der Vagina. D. h., die Scheide der Frau ist mit guten Bakterien ausgestattet, die verhindern, dass andere pathogene Keime überhandnehmen. Eine Gruppe der wichtigsten Scheidenbakterien sind die Laktobazillen, auch Milchsäurebakterien oder Döderlein-Stäbchen genannt. Sie sorgen durch das Aufrechterhalten eines sauren Scheidenmilieus für die Gesundheit der weiblichen Geschlechtsorgane. Die Laktobazillen vergären unter dem zyklischen Einfluss der weiblichen Hormone Östrogen und Progesteron das Glykogen zu Milchsäure. Der pH-Wert einer gesunden Scheide sollte 3,8–4,5 betragen. Die überwiegende Zahl (potenziell) krank machender Bakterien kann unter solchen Bedingungen nicht gedeihen. Gegen vaginale Pilzinfektionen bietet der niedrige pH-Wert aber nur teilweise Schutz.
Das vaginale Mikrobiom verfügt – verglichen mit Darm-/Oralflora – über eine geringere Vielfalt an Bakterien, man kennt derzeit trotzdem mehr als 250 verschiedene Bakterienarten, die die Vagina besiedeln. Nicht immer lösen diese eine Entzündung aus. Vielmehr kommt es auf die Zusammensetzung der „guten“ und „schlechten“ Bakterien an.
Die Forschung hat gezeigt, welche wichtigen Auswirkungen auch ein gesunder Darm auf das Scheidenmilieu hat. Der Darm liefert nützliche Bakterien für die vaginale Besiedlung, da die Darm- und Scheidenflora über die Schleimhaut miteinander in Verbindung stehen. Viele der Bakterienspezies, die im Darmmikrobiom zu finden sind, kommen so auch in der Scheidenflora vor. Der Weg von oral aufgenommenen Bakterien über den Darm in die Scheidenflora ist damit ein natürlicher Prozess der bakteriellen Besiedlung. In entsprechenden Studien hat man nachgewiesen, dass mithilfe von Kapseln supplementierte Laktobazillen nach 1–2 Wochen auch in der Vagina identifizierbar waren.
Auf der anderen Seite können durch die anatomische Nähe von Enddarm, Anus und Scheideneingang Krankheitserreger aus dem Darm übertreten und Scheiden- oder Blaseninfektionen begünstigen. Eine gesunde Zusammensetzung der Vaginalflora verhindert das Eindringen von pathogenen Keimen und Entzündungen. Letztere zu schwerwiegenden Komplikationen vor allem im Urogenitaltrakt führen.
Was sind die häufigsten Ursachen für ein Ungleichgewicht der Scheidenflora und Scheidenpilz?
Eine Pilzinfektion der Vagina entsteht oft nach Einnahme eines Antibiotikums. Die Wirkung der meisten Antibiotika zielt auch auf die „guten“ Bakterien, die Laktobazillen der Scheide ab – dadurch kommt es zu Infektionen. Als Prophylaxe sollte man deshalb spätestens nach Absetzen des Antibiotikums mit der Regeneration des Scheidenmilieus mit Laktobazillen-Ovula beginnen. Auch oral supplementierte Milchsäurebakterien, wie erwähnt, können die Vagina in ausreichendem Maße besiedeln.
Eine weitere häufige Ursache sind Hormonschwankungen. So sind vor der Pubertät und in den Wechseljahren Entzündungen der Scheide häufiger. Durch das fehlende oder zu niedrige Östrogen ist die Vaginalschleimhaut dünner und es fehlt an ausreichend Glykogen für die Milchsäurebildung. Das Resultat ist ein erhöhter, also basischer pH-Wert, der eindringende Keime begünstigt. Frauen in der Menopause leiden wesentlich öfter unter Blasenentzündung oder bakterieller Vaginose. Die Ansäuerung durch Milchsäurepräparate und die hormonelle Ergänzungstherapie mit bioidenten Hormonen bieten Schutz.
Die Pille – also synthetische Hormone, die zur Suppression der Ovarien und damit verminderten Produktion von Östrogen und Progesteron führen – hat als Nebenwirkung oft vaginalen Juckreiz.
Sexuelle Aktivität gilt ebenso als Risikofaktor für Infektionen der Scheide: Durch fremde Bakterien vom Hautmikrobiom im Genitalbereich oder den Händen des Gegenübers, das eigene Anogenitalmikrobiom und das Abschilfern von Schleimhautzellen als Nährboden für „böse“ Bakterien kann es zu Entzündungen kommen.
Übertriebene und mangelnde Intimhygiene verändern die mikrobielle Balance im Urogenitaltrakt. Tägliches Duschen mit pH-neutralem oder speziellem Intimduschgel ist vollkommen ausreichend.
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Wo liegen die Unterschiede zwischen Scheidenpilz und bakterieller Infektion?
Die Unterscheidung ist gar nicht so einfach. Da Frauen hier gerne zur Selbstbehandlung greifen, kommt es leider häufig zu Fehltherapien und der Entstehung von resistenten Keimen. Die ärztliche Konsultation ist daher angezeigt, wenn andauernder Juckreiz, Brennen im Vaginalbereich oder beim Wasserlassen, graugelber oder übelriechender dünner Ausfluss oder weißlicher, topfiger Fluor bemerkt wird; spätestens aber, wenn Ziehen im Unterbauch, Übelkeit, Fieber oder starke Schmerzen auch bei der Periode auftreten.
Typisch für einen Pilz sind mehr das Brennen und Jucken im Bereich der Schamlippen und eine Schwellung und Rötung der Labien. Der vaginale Ausfluss ist eher dick, weiß bröckelig und nicht unangenehm riechend. Die Haut im Genitalbereich und die vaginale Schleimhaut am Scheideneingang können kleine Risse aufweisen und Geschlechtsverkehr wird äußerst schmerzhaft. Antibiotika, Diabetes mellitus und Östrogendomianz sind zusätzliche Indizien für eine Pilzinfektion.
Dagegen fällt Frauen mit bakteriellen Vaginose, Chlamydien etc. oft gar nichts auf. Sie sind bei der Untersuchung überrascht über die Entzündung. Auf Nachfrage können sie aber vermehrten Juckreiz und dünnflüssigen, fischig riechenden Ausfluss bestätigen. Auch Zwischenblutungen und vermehrte Regelschmerzen können bei einer bakteriellen Scheideninfektion auftreten. Diese muss mit Antibiotika und einem Präparat für die Wiederherstellung des sauren Vaginalmilieus behandelt werden.
Welche Maßnahmen können die Scheidenflora stärken und Infektionen vorbeugen?
Die moderate Intimhygiene ist zu empfehlen, mit passenden Produkten. Duftstoffe für alle in der Intimzone verwendeten Produkte sind zu vermeiden. Die Scheide braucht Luft, so gilt zuhause: Weniger ist mehr; Slip weglassen oder unten ohne schlafen. Weniger atmungsaktive Kleidung sollte vermieden werden. Gerade bei Frauen mit rezidivierenden Infektionen sollten täglich frische Unterwäsche und Slipeinlagen aus Baumwolle tragen.
Vor dem Geschlechtsverkehr empfehle ich die gründliche Händedesinfektion beider Partner:innen und danach das sofortige Entleeren der Harnblase. In weiterer Folge können vor dem Schlafengehen ein Mannose-Gel im äußeren Intimbereich und Zäpfchen mit vaginalem Desinfektionsbestandteil und Döderlein-Bakterien vor allem Blasenentzündungen vorbeugen. Hier gibt es auch schon Gels für zwei, drei Tage nach dem Sex.
Da Stress ein häufiger Auslöser für die gestörte Vaginalflora ist, sind stressreduzierende Maßnahmen wie Atemtechniken, Yoga, Reduktion von Koffein und Zucker und genügend Schlaf wichtig. Bitterer Geschmack kann das Eindringen von Keimen verhindern, weshalb „Neem“ zu den besten Präparaten gehört, um wiederkehrende Infektionen vorzubeugen.
Welche Mythen rund um Scheidenpilz gibt es?
Vaginalmykosen können nicht auf fremden WCs „aufgeschnappt“ werden. Da die hinteren Oberschenkel auf der Klobrille aufliegen und die Vulva selbst gar nicht Kontakt damit hat, ist keine Übertragung möglich. Wäscht man sich danach jedoch nicht gründlich die Hände und hantiert im Intimbereich, kann es sehr wohl zum Einschleppen von Bakterien oder Pilzen kommen.
Stichwort Joghurt-Tampon: Er kann Scheideninfektionen nicht verhindern, ist unpraktisch und kann eine Infektion sogar verschlimmern. Außerdem unterscheiden sich die Milchsäurebakterien in Milchprodukten von jenen in der Scheide. Viel effektiver als prophylaktische „Besäuerung“ sind die erwähnten Milchsäurekapseln.
Wichtig ist auch, während der Periode den Tampon alle paar Stunden zu wechseln. Ein vergessener Tampon kann schwere, sogar lebensbedrohliche Infektionen auslösen. Die schädlichen Bakterien können sich allmählich darin vermehren. Das Tragen von Einlagen oder einer Menstruationstasse ist sicherer. Außerdem wird die Scheide nicht so ausgetrocknet.
Zucker führt nicht zu einer Vaginalmykose – doch wer sehr viele zuckerhaltige Lebensmittel isst, erhöht das Risiko, an Diabetes zu erkranken. Und Diabetes wiederum kann die Scheidenflora aus dem Gleichgewicht bringen, was Pilzinfektionen begünstigt. Natürliche Zucker in Lebensmitteln müssen sicherlich nicht gänzlich gestrichen werden, wobei zu viel Zucker generell zu einer Fehlbesiedelung des Darms führt.
Oft wird empfohlen, Joghurt, Sauerkraut oder Kombucha-Tee zu sich zu nehmen, weil sie die Bildung von Milchsäurebakterien unterstützen. Fakt ist: Nach einer Antibiotika-Behandlung macht eine vorübergehende probiotische Ernährung durchaus Sinn. Grundsätzlich gilt aber: Für eine gesunde Scheidenflora reicht eine ausgewogene Ernährung.