15–20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen klagen mindestens einmal pro Woche über Bauch-, Kopf- oder Rückenschmerzen. Bei 3–4 Prozent der Betroffenen werden die Schmerzen so schlimm, dass eine chronische Schmerzstörung vorliegt.
Mag. Katharina Fechner, BSc.
Ergotherapeutin
Paula ist 12 Jahre alt. Sie lebt mit ihren Eltern und ihrem jüngeren
Bruder in einem Haus mit Garten und liebt Schildkröten. In ihrer
Freizeit ist sie im örtlichen Schwimmverein. Vor zwei Jahren passierte
es zum ersten Mal: Paula hatte Kopfschmerzen. Seitdem ist für Paula und
ihre Familie nichts mehr, wie es einmal war. Paulas Schmerzen traten
immer häufiger auf, auch Bauchschmerzen kamen hinzu.
Wenn der Schmerz im Alltag ankommt
Fehlzeiten in der Schule wurden zur Normalität. Paula wurde immer ruhiger, zog sich zurück und verbrachte die meiste Zeit zuhause. Es folgten zahlreiche Arzt- und Krankenhausbesuche, unterschiedliche diagnostische Verfahren und erfolglose Therapieversuche. Das Ergebnis: Paula fehlt nichts. Doch die Schmerzen blieben und machten den Alltag zur Qual.
Bis Schmerzzustände bei Kindern und Jugendlichen als somatoforme Störung erkannt werden, dauert es oft sehr lange. Zum einen, weil eine umfassende medizinische Abklärung erfolgen muss, um mögliche somatische Ursachen auszuschließen. Andererseits aber auch, weil chronischer Schmerz immer noch zu wenig als Diagnose akzeptiert wird.
Obwohl uns allen ab und zu schon eine „Laus über die Leber gelaufen ist“ oder uns etwas „schwer im Magen liegt“ – bei einem möglichen Zusammenhang zwischen psychischem Befinden und körperlichen Auswirkungen fährt so manchem immer noch „der Schreck in die Glieder“.
So auch bei Paula und ihrer Familie. Doch in den letzten beiden Jahren wurde das Gefühl der Hilflosigkeit immer stärker, sodass sie an eine Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychosomatik verwiesen wurden. Paula und ihre Familie wurden dort von einem interdisziplinären Team psychologisch und therapeutisch begleitet. Im Zuge dessen kam Paula auch zur Ergotherapie.
Selbstbestimmung
Im Verlauf der Ergotherapie wurden beratende, adaptive und handlungsorientierte Maßnahmen umgesetzt, um individuelle Entlastungsstrategien zu entdecken und vorhandene Ressourcen zu nutzen.
Wichtige Schritte in der Therapie waren für Paula vor allem das Verständnis über den Teufelskreis der Schmerzen, dem sie sich so lange ausgeliefert fühlte, sowie die Entwicklung von Ideen und Möglichkeiten, um selbst die Kontrolle über den Umgang mit ihrem Schmerz zu übernehmen. Unterschiedliche Entspannungstechniken wurden erlernt, Kompetenzen gestärkt, Erfolge und Pannen reflektiert, erweitert und angepasst, um den Transfer in den Alltag so gut als möglich zu begleiten und Paula in ihrer Handlungsfähigkeit zu unterstützen.
Paula hat auf ihrem Weg viele Herausforderungen gemeistert – eine wertvolle Selbstwirksamkeitserfahrung, die Paula zu zunehmend mehr Selbstbestimmung und Autonomie verhalf, auch in anderen Bereichen! Sie geht mittlerweile wieder zur Schule und hat die Schmerzen im Alltag weitestgehend im Griff.